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Postwertzeichen-Sammler-Verein Mannheim e. V.

III. Privatstadtbriefbeförderung Mannheim

a) Geschichte

Erst nach acht Jahren, als es wirtschaftlich wieder aufwärts ging, wagten sich wieder einige an die Gründung einer Privatpost in Mannheim: Der Wirt ohne Wirtschaft Friedrich Burckhardt (J 5, 5), der Schreiner August Beringer (Waldhofstr. 5), der Schlosser Ernst Oppermann (Große Merzelstr. 47), der Schmied Jakob Häussler (Wallstadtstr. 5a), der Fabrikarbeiter Josef Brenner (H 7, 11), Schuhmacher Georg Trunck (Q 4, 6) und der Schreiner Albert Kübler (S 2, 5). Der in der Literatur immer noch dazu genannte Mathias Ochs heißt laut Familienbogen Matthäus und wird im Adreßbuch erstmals 1896 als Stadtpostbeamter genannt, d. h. er kann nicht vor November/Dezember 1894 nach Mannheim gekommen sein. Beringer, Brenner, Häussler und Trunk stehen 1895 als Briefträger oder Privatbriefträger im Adreßbuch, die anderen mit ihrem alten Beruf.

Die oben abgebildete Anzeige erschien am 15. Februar 1894 im Mannheimer “Generalanzeiger”, nachdem sich die Genannten am 17. Januar mit Einlagen von je 50 Mark zusammengetan hatten und dann auch im Betrieb mitarbeiteten. Ihr Leiter Burckhardt hatte in der Zwischenzeit die Verkaufsstellen aquiriert und rote Briefkästen anbringen lassen. Das Geschäftslokal befand sich in U 2, 8.

Die Verkaufsstellen bzw. die roten Briefkästen waren gleichmäßig über Innenstadt, Neckarstadt und Schwetzingerstadt verteilt und vermutlich recht auffällig, denn die obige Anzeige erschien nur noch ein zweites Mal nach einer Woche. In der nächsten Anzeige am 3. Juni wird nur auf die Verlegung des Geschäftsbüros nach T 1, 15 hingewiesen.

Das Geschäft entwickelte sich anscheinend allmählich. Das Institut beförderte anfangs nur Briefe und Drucksachen für drei bzw. zwei Pfennige. Die Reichspost verlangte fünft bzw. drei Pfennige und war anfangs besorgt. Sie verglich die Anzahl ihrer Ortssendungen in der letzten Woche vor der Eröffnung der Privatpost mit der Anzahl in der dritten Woche nach der Eröffnung. Sie war mit 1813 Sendungen nur um 7 % auf 23.916 zurückgegangen. Die Reichspost war beruhigt.

Wenn sie das Neujahrsgeschäft vorausgeahnt hätte, wäre sie vielleicht böse geworden. Einer Meldung des Generalanzeigers vom 18. Januar 1895 ist zu entnehmen, daß die Privat-Stadtbrief-Beförderung Mannheim - die Trennungsstriche im Titel gibt es schon im Juni 1884 - in der Zeit vom 23. bis einschließlich 31. Dezember 26.665 Dreipfennig- und 37.800 Zweipfennigmarken sowie 2.996 Correspondenzkarten verkaufte. Sie musste für die Zeit vom 31. Dezember bis 3. Januar ihr Personal von 10 auf 23 Mann erhöhen, welche während dieser Zeit vollauf beschäftigt waren.

Man kann daraus errechnen, daß ein Briefträger der Stadtpost in Mannheim bei vier Bestellgängen zwischen 600 und 800 Sendungen verteilte. Im Juli 1894 kamen zu den Briefen und Karten noch Einschreiben und Wertbriefe (Porto 13 Pfennige) und Geldsendungen in jeder Höhe (10 Pfennig).

Das war die positive Aussenseite. Aber wie sah es drinnen aus? Dazu Auszüge aus Postakten, die in Hamburg liegen:

25.4.1894: Der seitherige Leiter Friedrich Burckhardt der “Privat-Stadtbriefbeförderung” ist... wegen begangener Unterschleife durch seine Genossen von dem Unternehmen ausgeschlossen... . Die Leitung ist auf den Agenten August Beringer übergegangen.

30.05.1894: Die Firma
“Privat-Stadtbriefbeförderung Mannheim, Beringer, Oppermann & Comp.” ist als Kommanditgesellschaft in das Handelsregister eingetragen worden. Persönlich haftende Gesellschafter: August Beringer und Ernst Oppermann.

20.08.1894: Die Anstalt ist nach dem Ausscheiden von Ernst Oppermann am 15.06. unter der Firma: “Privat-Stadtbriefbeföderung Mannheim, Beringer & Comp.” in das Handelsregister eingetragen worden.

Bleibt noch aus dem Handbuch der Deutschen Privat-Postwertzeichen” von Carl Schmidt nachzutragen, daß vor Oppermann bereits Kübler ausgetreten war. Da waren’s nur noch fünf: Beringer, Häussler, Ochs, Brenner und Trunk. Aber nur ein Dreivierteljahr, denn dann steht im Generalanzeiger vom 13. April 1895:

Die hiesige Privat-Stadt-Brief-Beföderungs-Anstalt theilt mit, daß die seitherigen Theilhaber Herren Georg Trunk, M. Ochs, J. Häußler und J. Brenneraus der Firma ausgeschieden sind. Herr August Beringerhat sämtliche Activa und Passiva übernommen und führt von jetzt ab das Geschäft unter der gleichen Firma Privat-Stadt-Brief-Beförderung Mannheim Beringer u. Co. für alleinige Rechnung weiter.

Die Ausscheidenden bringen vier Tage später in einer zweispaltigen Anzeige der geehrten Geschäftswelt die ergebene Mittheilung, das sie eine neue Anstalt “Stadtbrief-Verkehr Mannheim” gegründet haben. Sie rühmen sich auch: Der Aufschwung, welchen die Stadtbriefbeförderung seither an hiesigem Platze gewonnen hat, ist vornehmlich auf unsere unermüdliche Thätigkeit zurückzuführen.

Beringer preis in derselben Ausgabe nochmals im redaktionellen Teil und am 22. April mit einer Anzeige die ihm verbliebene Anstalt an, aber am 25. April ist zu lesen, daß er wegen Unterschlagung verhaftet wurde. Am 15. Mai steht sein Geschäftslokal in T 1, 15 unter “Zu vermieten” und am 30. Mai liest man in der Rubrik “Gerichtszeitung”:

Der 82 Jahre alte Schreiner und Privatpostunternehmer August Behringer von Auerbach steht wegen Unterschlagung unter Anklage. Der Angeklagte gründete im Februar v. J. in Gemeinschaft mit anderen Personen eine Kommanditgesellschaft zur Beförderung von Brief- und Packetsendungen innerhalb des Stadtbezirks Mannheim. Die von der Gesellschaft angestellten Briefträger mußten Kautionen stellen, deren Höhe zwischen 45 und 200 M. schwankte. Statt jedoch diese Gelder aufzubewahren, verwendete sie Behringer, der Leiter des Unternehmens, größtentheils im Geschäft. Als nun die Gesellschaft Mitte April d. J. sich auflöste und Behringer die austretenden Gesellschafter abfinden sollte, gerieth er in Zahlungsschwierigkeiten, die er dadurch zu beseitigen suchte, daß er drei neue Briefboten, Martin Scheuermann, Karl Schmitt und Adam Kögel, einstellte und die von denselben geleisteten Kautionen im Betrage von 220 M. ohne Weiteres für seine Zwecke verwendete. Desgleichen verwendete er auch die Kautionen der anderen Träger, Hermann Henn, Josef Schnepf, Adam Herold, Balthasar Kiesel, Heinrich Weickum und Wilhelm Schuhmacher, sadaß der Gesammtbetrag der defraudirten Gelder 863 Mark ausmacht. Das Urtheil gegen Behringer lautete auf eine Gefängnisstrafe von 4 Monaten, abzüglich 1 Monat Untersuchungshaft. Vertheidiger: R. A. Dr. Holz.

Behringer war damit aber nicht am Ende. Es heißt in einem im Bundesarchiv liegenden Bericht der Oberpostdirektion Darmstadt vom 10. August 1895: Am 27. Juli ist in Worms eine Privat-Briefbeförderungsanstalt in Wirksamkeit getreten. Inhaber und Leiter des Unternehmens ist der von Mannheim nach Worms verzogene frühere Schreiner August Behringer, [...]. ... Vorbereitungen ... so geheim ..., daß vor dem Eröffnungstage so gut wie Nichts an die Öffentlichkeit gedrungen war. Hier mussten aber die Kautionen der Briefträger beim Kreisamt hinterlegt werden und Behringer selbst musste eine Kaution von 1000 Mark hinterlegen. Woher er das Geld hatte und wie er zu einem so frühen Zeitpunkt nach seiner Verurteilung schon aktiv werden konnte, ist nicht bekannt. Die Wormser Anstalt ging schon nach einem Vierteljahr an einen anderen und nach weiteren fünf Monaten an einen Dritten über, der sie bis zum allgemeinen Ende aller Privatposten am 31. März 1900 betrieb. Beringer wohnte Ende 1895 in Mannheim K 2, 19 und steht mit der Berufsbezeichnung Steuermahner im Adreßbuch 1896.

In diesem Zusammenhang darf der Name Christian Gottlieb Hèrion nicht fehlen. Er steht als Kaufmann im Mannheimer Adreßbuch von 1895 unter der Adresse Rheinhäuserstrasse 57. Über seine Beteiligung an der Privat-Stadtbrief-Beförderung Mannheim wird seit 1912 dies und das gesagt, aber nichts nachgewiesen mit einer Ausnahme: Er gründete in Ludwigshafen einen Privat-Brief-Verkehr, um ihn alsbald, wie in sieben anderen Städten, wieder zu verkaufen, in Ludwigshafen nach 14 Tagen. Der Nachweis ist nicht der Auszug aus dem Ludwigshafener Gewerbe-Anmelde-Register vom 18. Oktober 1895, sondern seine Briefmarke und seine Correspondenzkarte, die von der Mannheimer Anstalt stammen und jeweils mit L-HAFEN schlecht überstempelt sind. Die Ludwigshafener Anstalt ging zweieinhalb Jahre lang durch mehrere Hände und dann ein.

b) Briefmarken, Ganzsachen und Stempel

Die erste, eine 3 Pf.-Marke vom Februar 1894, ist orange mit sauberem fünfzackigem Stern über dem Mannheimer Wappen. Sie ist in vierfacher Vergrößerung auf der vorderen Umschlagseite des vorliegenden Heftes abgebildet.

Sie wurde Ende Mai 1894 durch eine sehr ähnliche etwas hellere Marke ersetzt, die einen etwas kleineren Stern über einem niedrigeren Wappen und niedrigere breitere Ziffern aufweist. Ein blauer 2 Pf.-Wert, der in der Zifferngestalt der ersten Marke ähnelt, aber sonst der zweiten 3 Pf.-Marke, war bereits Ende März in Gebrauch.

Da in der Literatur andere Erstverwendungsdaten genannt werden, seien hier die Marken doppelt vergrößert mit herauspräparierten Stempel abgebildet.

Von den Ganzsachen sei hier nur zusätzlich zur ersten (s. o.) die zweite Korrespondenzkarte gezeigt, die (in der Literatur unbekannt) in mindestens den zwei abgebildeten Versionen mit unterschiedlichen Titeln und Unterstreichungen existiert.

Nach der Literatur soll es noch geben.

1. Eine Doppelkarte der zweiten Korrespondenzkarte,
2. Blaugraue bzw. grüne Briefumschläge mit Stempel wie auf der ersten Korrespondenzkarte (s. o.) aber ohne Wertangabe,
3. Graublaue Post-Auftrag-Umschläge ohne Wertangabe, und
4. Geldanweisungen auf grünem Karton ohne Wertangabe.

Sie stehen aber dem Artikelschreiber (Dr.Ks.) weder aus der Vereinssammlung noch aus der eigenen zur Abbildung zur Verfügung.

Alle frei Briefmarken kommen mit dem einfachen Datumssstempel vor, der weiter oben mehrfach vergrößert abgebildet wurde, aber nur im Jahr 1894. Der auf der ersten Korrespondenzkarte abgeschlagene Handstempel mit der Wertangabe 3 (Pf.) kommt nur ebenda vor, nicht auf Briefmarken. Einen sehr ähnlichen Stempel mit der Wertangabe 2 (Pf.) findet man nur auf 2 Pf.-Marken. Eine Angabe der Verwendungszeiten kann auf Basis der abgelösten Marken nicht erfolgen. Sie wird auch gemäss Vorabdruck nicht in dem nächsten Teil des “Stempelhandbuchs der deutschen Privatpost” stehen. Für den grossen Kreisstemple (Durchmesser 29 mm) wird darin eine Verwendungszeit zwischen Dezember 1894 und März 1895 angegeben. Die eigenen Marken datieren zwischen Januar und März 1895.

Die diesem Artikel zugrunde liegende Literatur stammt aus dem Mannheimer Generalanzeiger, dem Band IV des Handbuchs “Die Deutsche Privatpost, Courier & Boteninstitute” von Hans Meier zu Eissen, dem “Handbuch der Deutschen Privat-Postwertzeichen” von Carl Schmidt und vor allem aus einem Postaktenauszug in Deutschen Archiven, den Hermann G. Neubauer aus Kriftel in einer gar nicht zu überschätzenden Fleissarbeit gemacht und den Mannheim betreffenden Teil dem Autor zur Verfügung gestellt hat. Er hat so manche Widersprüche in der Literatur geklärt.

Dr. Hansjürgen Kessler, Mannheim im Juni 2000