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Postwertzeichen-Sammler-Verein Mannheim e. V.

I. Privat-Brief-Verkehr Kirchhoffer & Co.
 

Adreßbuch 1887 Seite 253

“Privatbeförderung für Stadtbriefe”
im Stadtbezirk Mannheim.
(Eröffnet 1. Oktober 1886).
Vorstand: Aug. Kirchhoffer, P 6, 20. Bureau: P 6, 20.
Beförderung von Briefen, Correspondenzkarten, Cirkularen, Drucksachen je zu 2 Pfg. ohne Gewichtsgrenze, jedoch unter Paketgröße.

August Kirchhoffer aus Kaiserslautern hatte allerhand vor. Nach der ersten Gründung am 1.10.1886 in Mannheim ging es mit anderen “Abtheilungen”, wie er es nannte, am 25.10. gleichzeitig in Köln und Frankfurt mit gleichnamigen Anstalten weiter und am 3.12. in Elberfeld. Eine für Dezember 1886 in Mainz geplante Eröffnung unterließ er, weil ihm schon zwei andere zuvorgekommen waren. Der eine schloss zwar seinen Laden schon Mitte Dezember, aber der andere bestand “mit lebhaftem Inhaberwechsel und schwachem Beförderungsumsatz” bis zum Ende aller Privatposten. Die Entschädigung danach war entsprechend gering.

Wie gesagt, hatte Kirchhoffer allerhand vor.

Er wollte der Reichspost auch im Fernverkehr mit einem Städteverbundnetz Konkurrenz machen. Und er gebrauchte in seinen Anzeigen das Wort Post. Beides wollte die Reichspost unter Berufung auf die Gesetzeslage und die Rechtsprechung nicht dulden. Sie erließ Strafverfügung wegen Portohinterziehung. Kirchhoffer zahlte nicht  und ging den Rechtsweg mit verschiedenen Ergebnissen, scheiterte aber in dritter Instanz am 2. Juli 1988 beim Reichsgericht. Die Post überwachte seine Überlandsendungen, die größer als ein Brief waren, konnte ihm aber keine Verstöße nachweisen. In Köln fand man in einer unter Polizeiaufsicht geöffneten verdächtigen Sendung nur Briefmarken.
Kirchhoffer konnte sich natürlich nicht um den alltäglichen Betrieb in allen vier “Abtheilungen” kömmern. Er setzte überall Geschäftsführer ein, mit denen er seine Probleme hatte. Zwei von ihnen, sein Bruder Friedrich in Mannheim und Heinrich Kaprolat in Elberfeld und Barmen, bekamen beim Jahreswechsel 1886/7 Schwierigkeiten mit betrunkenen oder sonstwie unzuverlässigen Briefträgern.

Badische Volkszeitung Nr. 6
vom 8. Januar 1887.
Zur Charakterisierung der Privatpostbeförderung von Stadtbriefen erhalten wir noch folgende Zuschrift mit dem Wunsche zur Veröffentlichung:
Ich übergab dieser Anstalt (P 6, 20) am 31. Dezember, Abends 6 Uhr, ca. 50 Briefe und Karten, theils Neujahrs-Gratulationen für Geschäftsfreunde, sowie Geschäftsbriefe, welche nach gehabter mündlicher Anfrage bei den Adressaten bis zur Stunde noch nicht zugestellt waren.
Man sollte nun nicht glauben, daß, wenn man ein Unternehmen zu unterstützen sucht, das Vertrauen, welches man demselben entgegenbringt, auf diese Weise mißbraucht wird, zumal man sein Porto im Voraus zahlt und außerdem noch Schaden an Materialien, sowie auch in geschäftlicher Beziehung erleidet.
Ferner übergab ich am 18. Dezember einen Brief an eine hiesige Holzhandlung, welcher sich auf Einlösung eines Wechsels bezog, welcher am 20. Dezember , Morgens 10 Uhr, dem betreffenden Hause noch nicht zugestellt war.
Die betreffende Holzhandlung gab fragliches Accept zum Protest, wodurch ich M. 2,20 Kosten zahlen mußte. Der Procurist des Hauses erklärte meinem Buchhalter, daß sie keinen Brief von mir erhalten, sonst hätten sie den Wechsel einfach liegen lassen und nicht zu Protest gegeben. J. Sch.

August Kirchhoffer überwarf sich mit seinem Bruder, setzte vielleicht noch den Kompagnon Forster der eingetragenen Mannheimer Konkurrenzfirma “Hansa” an dessen Stelle (siehe Zeitungsausschnitt weiter unten), liquidierte dann aber am 6. April die “Mannheimer Abtheilung”. Restbestände an Correspondenzkarten und Wertzeichen wurden in Elberfeld aufgebraucht.

Apropos Wertzeichen. Außer in Mainz, wo garnicht eröffnet wurde, hatte Kirchhoffer überall Schwierigkeiten mit seinen ersten Marken mit den Wappen der Städte seiner Niederlassungen. Sie seien in der Zeichnung der Adlerausgabe der Reichspost zu ähnlich und obendrein mit ihrem blau mit der 20 Pf Reichspost zu verwechseln, meckerte die Post. Er ließ daher eine dicke rote 2 aufdrucken und änderte alsbald Zeichnung und Farbe. Aber dann wollte die Post das Rot der neuen 2 Pfennigmarke mit dem Rot der 10 Pf Reichspost verwechseln können. Kirchhoffer ließ in Frankfurt und Köln gelbe 2 Pfennigmarken drucken und hatte danach mit diesem Problem keine Sorgen mehr.

Nachdem ihm Kirchhoffer noch rechtzeitig den Laden verkauft hatte, fuhr der gerade volljährige Kaprolat Barmen-Elberfeld an die Wand, und brauchte genau so wenig wie Mannheim noch gelbe Zweier. Köln und Frankfurt aber florierten. Kirchhoffer verschließ zwar etliche Geschäftsführer und tat sich lange Zeit mit der Speditionsfirma Vranken in Köln zusammen. Ein halbes Jahr vor Ende der Privatposten am 1.4.1900 schied Gustav Vranken in Köln aus. In Frankfurt scheint die Partnerschaft bis zum Ende gedauert zu haben. Die Entschädigung der Reichspost für Köln in Höhe von 98.000 Reichsmark strich August Kirchhoffer allein ein, die fast 234.000 RM mußte er wohl teilen.

Dr. Hansjürgen Kessler, Mannheim im Dezember 1999