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Postwertzeichen-Sammler-Verein Mannheim e. V.

Privatpost in Mannheim
(Einleitung)

Wenn in absehbarer Zeit, wie jetzt schon von der Deutschen Telekom AG, auch Aktien der Deutschen Post AG an der Börse an das verehrliche Publikum verkauft werden, ist nach mehr als dreihundert Jahren das Ende der “Staatspost(en)” in Deutschland gekommen. Sie sollten aber auch danach keinen Postler beleidigen, selbst wenn es keine Beamtenbeleidigung mehr ist.

Man strengt sich in den oberen Rängen der Post gewaltig an, damit die Post dann nicht eine Privatpost unter anderen sein wird, und wird die Bezeichnung “Privatpost” weiterhin nicht akzeptieren. Denn seit dem 1. April 1900 gab es keine weiteren Postanstalten mehr neben “der Post”. Nun ja, es gab z. B. den Paketdienst der Mannheimer Paketfahrt Gesellschaft, den diese Gesellschaft 1906 einige Monate lang betrieb oder die Straßenbahn, die für den Transport jahrzehntelang Zeitungspaketmarken verwendete. Wenn man die Post auf den Briefdienst einschränkt, waren das keine Privatposten nach dem genannten Termin.

In den altdeutschen Staaten bestand Postzwang. In Baden erinnerte die landesherrliche Verordnung “Erneuertes Verbot der Briefboten und institutenmäßigen Fuhrwerke betreffend” vom 4. August 1807: 1) Es sollen keine institutenmäßigen Fuhrwerke, nämlich solche bestehen, die zu bestimmten Tagen nach einer regulären Abwechslung auf Postwagen-Routen hin und herfahren, 2) Weder diese, noch Hauderer oder Boten dürfen gesiegelte und überhaupt verschlossene Briefe, ferner Briefpaketer, Geldpaketer, Prätiosen und kleinere Effekten, die unter 25 Pfund schwer sind ... sammeln und verbringen. Hingegen ... offene Briefe mit Aufträgen und Rückbringung des Aufgetragenen zu führen, ist ihnen unverwehrt. Zuwiderhandlungen waren mit Strafen bedroht.

Erst 1868 wurde der Postzwang für Ortsbriefe im Norddeutschen Postbezirk aufgehoben. Da es Privatpersonen nur verboten war, Briefe von einem Ort mit Postanstalt gegen Bezahlung in einen anderen Ort zu bringen, stand es ihnen frei, Briefe innerhalb eines Ortes oder an einen Ort ohne Postanstalt zu befördern. Diese Regelung wurde nach der Reichsgründung in das Postgesetz vom 21.10.1871 übernommen. Man hatte im Reichstag nichts dagegen, daß sich Private dort versuchten, wo es sich für eine Staatsverkehrsanstalt nicht rentierte.

Die ersten Privatpostanstalten konnten sich in den siebziger Jahren selbst in Großstädten wie Berlin und Hamburg nicht halten. Zwar war die Zahl der Ortsbriefsendungen in Berlin von 1864 bis 1874 von 5 Millionen auf 19 Millionen angewachsen, aber die dort im Mai 1873 gegründete “Brief- und Druckschriften-Expedition” von J. J. Schreiber ging im Herbst 1874 ein. Erst als 1884/5 die Ortsbriefsendungen auf 47 Millionen gestiegen waren, kam der Briefbeförderungsdienst der 1884 gegründeten “Berliner Paketfahrt Aktien-Gesellschaft” nach Anfangsverlusten 1885 allmählich aus den roten Zahlen.

Das sprach sich herum: 1886 wurden 29 und 1887 noch 9 Privatpostanstalten gegründet. Der Optimismus war nach den wirtschaftlich schlechten Zeiten des letzten Jahrzehnts gestiegen. Die durch Geburtenüberschuß wachsende Bevölkerung wanderte weniger aus als früher, sondern zog in die Industriestädte. Als Beispiel sei hier die Entwicklung der Einwohnerzahlen Mannheims genannt (gerundet):

1871

39.600

1875

46.500

1880

53.500

1885

61.300

1890

79.100

1895

91.100

1900

141.100

Der Optimismus des Jahres 1886 war aber verfrüht für einen erfolgreichen Betrieb von Privatposten außerhalb von Berlin. Diese Stadt hatte 1870 eine Einwohnerzahl von 825.000 und 1900 von 1.889.000. Die Berliner Paketfahrt Aktiengesellschaft konnte in diesem Jahr 986 Personen beschäftigen.

Aber die anderen: Von 1886 bis 1891 schlossen 29 Anstalten ihren Betrieb und von den insgesamt 144 Stadtposten, die bis zum Ende am 1.4.1900 gegründet worden waren, mußten 66 vorzeitig ihren Betrieb einstellen, davon 43 in den ersten 12 Monaten.

Nur ein Teil dieser Schließungen war auf die verkehrswirtschaftlichen Bedingungen (kleinere Einwohnerzahl, geringere wirtschaftliche Aktivitäten) zurückzuführen. In den meisten Fällen waren es aber die unzureichenden Leistungen durch mangelnde Sachkunde und zu geringe Kapitalbasis für ein Durchstehen der Anfangsschwierigkeiten. Bis das Vertrauen des an die guten Leistungen der Staatspost gewöhnte Publikums gewonnen war, brauchte es Marktkenntnisse und Durchstehvermögen. Die Preise der Post mußten ja unterboten werden, und die lagen für einen Ortsbrief bei fünf Pfennigen, außer in Berlin, wo er zehn Pfennige kostete. Weiter ist noch zu erwähnen, daß in zwölf großen Städten zeitweise zwei, ja sogar drei Privatposten miteinander konkurrierten.

Die Wirtschaft war 1891 in einer Krise, der dann bis 1900 ein Aufschwung folgte. Das wirkte sich auch auf die Entwicklung des Privatpostwesens aus. Im Jahre 1900, kurz vor der Aufhebung der Stadtposten bestanden 78 Anstalten:
- 36 davon in 33 Großstädten mit mehr als 100.000 Einwohnern.
- 41 in 194 Städten mit 20.000 bis 100.000 Einwohnern und
- 1 in Schönbeck/Elbe, einer von 864 Städten mit 5.000 bis 20.000 Einwohnern.
- 52 davon waren erst nach 1894 gegründet worden.

Wenden wir uns nach dieser allgemeinen Übersicht den Mannheimer Anstalten zu, welche die Entwicklung widerspiegeln. Die Ausführungen stützen sich hauptsächlich auf die vier bisher erschienenen Bände “Die Deutsche Privatpost, Couriere & Boteninstitute” Handbuch der Wertzeichen und Materialien von Hans Meier zu Eissen. Sie erlauben die Literatur zur Privatpost, die schon 1888 mit der Zeitschrift “Neueste Privatpost-Nachrichten” einsetzt, am besten zu überblicken. Ergänzend dazu wurden außer der Originalliteratur auch Mannheimer und andere Quellen benutzt.

Dr. Hansjürgen Kessler, Mannheim im Dezember 1999